Gerade bei Demenzerkrankten nehmen sich ein Großteil der Angehörigen der Pflege und der Betreuung an. Sie stellen somit eine wichtige und große Stütze im heutigen Pflege- und Betreuungssystem da und werden an Bedeutung in Zukunft zunehmen.

Pflegende Angehörige engagieren sich meist mit vollem Einsatz und sind somit stets psychischen und physischen Belastungen ausgesetzt. Ein Shaolin-Prinzip unterstreicht jedoch, dass die Energie und Kraft eines jeden Menschen natürlichen Begrenzungen unterliegen. Man geht sogar davon aus, dass 80 % der pflegenden Angehörigen psychisch darunter leiden. D.h. um langfristig für sich und den Demenzerkrankten sorgen zu können, benötigt man Hilfestellungen, die den täglichen psychischen und physischen Umgang erleichtern und für beide Seiten eine erhöhte Lebensqualität schaffen.

Klingt logisch – doch wie sieht dies in der Praxis aus?
Hier ein paar Praxistipps und Hilfestellungen für einen leichteren Alltag für sich und die an Demenz erkrankte Person

Bewusstseinsschaffung der Krankheit

An Demenz erkrankte Personen sind Menschen mit einer unverwechselbaren Persönlichkeit – keine Frage. Diese ausgeprägte Persönlichkeit hängt immer von einer Vielzahl von Faktoren ab?

  • In welchem Stadion befindet sich die erkrankte Person und wie sieht der weitere Verlauf aus?
  • Welchen kulturellen Hintergrund hat diese Person?
  • Welchen Ausbildungstand hat diese Person?
  • Welche Erfahrungen haben diese Person in der Vergangenheit geprägt?
  • In welchem Umfeld hat sich diese Person beruflich und privat bewegt?
  • Lebensverlauf / Biographie des Erkrankten
  • uvm.

Umgang mit an Demenz erkrankten Menschen

  • Oberstes Gebot ist: Gehen Sie mit allen Demenerkrankten respektvoll um. Würde, Wertschätzung und Verständnis sind sehr wichtig, vor allem bei jenen, die einen schwierigen Lebensverlauf hinter sich haben
  • Aufgrund des Lebensverlaufes haben die Demenzerkrankten unterschiedliche Verhaltensweisen. Hinterfragen Sie diese. Dies fördert das Verständnis und den Umgang mit der erkrankten Person.
  • Strukturieren Sie den Alltag einfach, klar und nachvollziehbar. Das schafft Sicherheit, Geborgenheit und Sie werden mit wertvollem Vertrauen belohnt. Je unsicherer sich jemand fühlt, desto aggressiver ist sein Verhalten (eben aus der Unsicherheit heraus). So kann man dem schon mal entgegenwirken.
  • Gestalten Sie klar verständliche Wahlmöglichkeiten (bitte nicht mit zu vielen Möglichkeiten überfordern) in den verschiedensten Lebenssituationen. Somit haben die Demenzerkrankten das Gefühl, dass Sie ihr Leben aktiv mitbestimmen und nicht zuviel abhängig sind. Das schafft ein wichtiges Freiheitsgefühl und in Folge innere Zufriedenheit.
  • Schaffen Sie Möglichkeiten, die an demenzerkrankte Person in ihrer Selbständigkeit zu fördern und zu unterstützen. Demenzerkrankte möchte gerne ihre eigene Identität beibehalten. Das ist natürlich immer vom Stadion der Erkrankung abhängig. Dennoch sollte nichts unversucht gelassen werden, verschiedenste Aktivitäten diesbezüglich zu setzen. Auch das schafft Genugtuung, Freude und Zufriedenheit. Z.B. Überlassen Sie ihnen oft verwendete Gebrauchsgegenstände: Geldbörse, Handtasche uvm.
  • Schaffen Sie Anreize im Alltag: Treffen mit Vertrauten, basale Stimulation, bestimmte Bewegungstherapie, Spaziergänge uvm. – erlaubt ist alles, was hilft, Spaß macht und nicht gefährdet
  • Klare, einfach verständliche und nachvollziehbare Kommunikation. Die unterschiedlichen Möglichkeiten richten sich immer nach dem Stadium der Krankheit. Das beginnt bei der Sprache, geht über Mimik und Gestik und endet bei Beschriftungen in der unmittelbaren Umgebung. Halten Sie Blickkontakt und motivieren Sie sie zur Kommunikation. Achtung bei Warum-Fragen!
    Lesen Sie hier, warum die richtige Kommunikation in der Pflege als wesentlicher Erfolgsfaktor gilt
  • Bestimmte Tiere eignen sich ebenfalls gut für Therapiezwecke

Gesicherte Umgebung – Schaffen Sie eine Wohlfühllandschaft ohne Hindernisse

Wohlfühlen in der unmittelbaren Wohnumgebung ist das Um und Auf. Wo man sich wohl und sicher fühlt, ist man gerne und das tut der Seele gut. Die Demenzerkrankten sollen sich auch einfach und leicht zurechtfinden

Beseitigen Sie vorhandene Hindernisse: Hier ein paar Anregungen

  • Sicherer stolperfreier Eingangsbereich
  • Sicherheitsschlösser, die auch von außen geöffnet werden können (Schlüssel sollen ausschließlich bei den engsten Vertrauten, die sich um den Erkrankten sorgen, hinterlegt werden)
  • Unterschiedliche Höhe der Türschwellen ausgleichen
  • Rutschige Teppiche entfernen oder Anti-Rutsch Matten verwenden
  • Farbliche Gestaltung, wenn es Höhenunterschiede bei vorhandenen Wohnflächen gibt
  • Installieren eines gesicherten Treppenliftes, falls Treppen keine Alternative mehr sind
  • Beseitigen Sie herumliegende Dinge, Kabeln – alles, wo man stolpern könnte
  • Bringen Sie Handläufe an markanten, oft genutzten Stellen an
  • Tauschen Sie rutschige Böden durch rutschfeste aus (vor allem wenn manche Böden nass werden, sind sie oft gefährlich rutschig)
  • Adaptieren Sie den Sanitärbereich (Bad und WC)
  • Badewanne: rutschfeste Matten, Haltegriffe, Badebretter oder sogar einen Badewannenlift
  • Dusche: eben und rutschfest, rutschfeste Badehocker, Haltegriffe, Duschrollstuhl
  • WC: leicht zu erreichen, Haltegriffe, erhöht, WC-Aufsatz, rutschfeste Matten
  • Waschbecken: Höhe, Haltegriffe in unmittelbarer Nähe, genügend Fläche für Wasch- und Badeartikel (leicht erreichbar)
  • Überlaufschutz

Einrichtungsgegenstände

Möbel:

  • Stabil und kippsicher
  • Angepasste Armlehnen bei Sitzmöbel
  • Möglichkeit zum Anhalten
  • Richtige Höhe
  • Spezielle Pflegemöbel je nach Bedarf
  • Maßgeschneidertes Bett mit den richtigen Einsätzen
  • Sicherungen an bestimmtem Mobiliar – z. B. Bett mit Fallschutz

    Haushaltgeräte:
  • Sicheres Aufbewahren von gefährlichen Gegenständen
  • Spezielle technische Geräte
  • Abschaltautomatik, automatische Absperrventile, Herdüberwachungsgerät,
  • Leichte Erreichbarkeit oft verwendeter Geräte 

    Brandschutzmaßnahmen

  • Bringen Sie an geeigneten Stellen Rauchmelder und Feuerlöscher an 

    Notrufmöglichkeiten

  • Spezielle Telefone
  • Notrufanlage / Rufhilfe / mobile Rufhilfe

 

Treffpunkt: Wohlfühl-Oase – Schaffen Sie eine optimale Wohnatmosphäre mit Wohlfühl-Charakter

  • Vertraute Gegenstände: Positionen Sie vertraute Gegenstände, die Freude und Wohlfühlen bereiten z.B. Fotos, Zeitschriften, Musik (CD, Schallplatten, DVDs), Geldbörse, Handtasche in unmittelbarer Näher des Erkrankten
  • Gute nicht zu grelle Beleuchtung, die ein angenehmes Licht bietet. Achten Sie darauf, dass die Lichtquellen keine Schatten werfen. Schatten Angst und Sinnestäuschen auflösen.
  • Lichtschalter sollen einfach und leicht erreichbar sein.
  • Helle angenehme Räume – Spielen Sie mit der Wirkung der unterschiedlichen Farben. Verwenden Sie keine aggressiven Farben, sondern Pastelltöne. Diese haben eine beruhigende Wirkung. Fragen Sie auch nach den Lieblingsfarben des Demenzerkrankten.
  • Ordnen Sie das Mobiliar so an, um eine vertraute Struktur und Orientierung zu bieten, was in Folge mehr Ruhe und Sicherheit sorgt. Schaffen Sie bestimmte Bereiche für bestimmte Tätigkeiten. Z.B. Essensbereich, Hygiene, Ruhe ….
  • Kennzeichnen Sie Türen, Gegenstände uvm. mit Schrift, Fotos und / oder Zeichen. Das kommt immer auf das Stadium des Demenerkrankten an.
  • Bei Eigengefährdung sollen Fenster nur mehr gekippt und somit nicht mehr geöffnet werden können.

 

Essen und Trinken

  • Spezialessen – z.B. breiige Nahrung, leicht verdauliche Nahrung, nahrhafte Nahrung, gesunde Ernährung
  • Zubereitungshilfen
  • Ausreichende Flüssigkeitsaufnahme
  • Spezialbesteck mit z.B. gerillten, dicken Gummigriffen
  • Standfeste und rutschfeste Teller
  • Rutschfeste Tischsets
  • Spezielle Schürzen
  • Spezielle Teller: mit schrägem Innenboden, aussetzbarer Tellerrand, Warmhalteteller
  • Spezielle Trinkgefäße: z.B. Becher mit tropfsicherem Deckel

 

Sonstige Hilfestellungen

  • Stabile und rutschfeste Handläufe
  • Leicht anziehbare Kleidung und Anziehhilfen
  • Entsprechendes Schuhwerk – spezielle Schuhe
  • Rollator
  • Rollstühle

Tipp: Erkundigen Sie sich: Für bestimmte Adaptierungen wie z.B. Treppenlifte gibt es staatliche Förderungen.

 

Pflegende und betreuende Angehörige

Für pflegende und betreuende Angehörige gilt: Nutzen Sie Selbsthilfegruppe und nehmen Sie angebotene Hilfe an! Z.B. stimmen Sie sich mit anderen Angehörigen ab und nehmen Sie gegebenenfalls auch eine professionelle Hilfe in Anspruch (24-Stunden-Betreuung). Das ist nicht immer leicht, aber es hilft. Sie müssen auch auf sich schauen, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben, welches Sie erdrückt. Schuldgefühle sind nicht selten, daher ist es wichtig diese Falle gleich zu umgehen. Behalten Sie Hobbies bei, denen Sie regelmäßig nachgehen. Das liefert Ihnen wieder die notwendige Energie. Pflegen Sie auch soziale Kontakte und tauschen Sie sich regelmäßig aus – Sie sind nicht allein!